Die Ptolemäus-Ausgabe von 1478
[Cosmographia. Rom: Arnoldus Buckinck, Nachfolger von Conrad Sweynheym, 10. Oktober 1478]
Es ist die dritte Ausgabe des Werks und die zweite mit Landkarten.
Wir präsentieren daraus 18 Inkunabelkarten in schönem Altkolorit.
Die Karten gehören zu den frühesten Kupferstichen die je gedruckt wurden.
Die Erstausgabe war 1475 noch ohne Illustrationen in Vicenza erschienen, die zweite Ausgabe wurde 1477 in Bologna veröffentlicht. 1490 (bei Petrus de Turre) und 1507 (bei Bernhardinus de Vitalibus) erschienen in Rom weitere Ausgaben, die mit den selben Platten gedruckt wurden wie die Ausgabe von 1478.
Es ist nachgewiesen, daß Columbus ein Exemplar der 1478er Ausgabe besaß, an dem er sich unter anderem für seine bevorstehenden Fahrten orientierte. Die Karten von Ptolemäus festigten Columbus’ Glauben, daß die schnellste Route von Europa nach Indien westwärts durch den Atlantik gehe, was bekanntermaßen zur Entdeckung von Amerika führte.
Die römische Ausgabe des Ptolemäus ist in dreifacher Hinsicht eine absolute Rarität. Sie ist ein bedeutendes Werk des frühen Buchdrucks, der frühen gedruckten Kartographie und des frühen Kupferstichs.
Schon die Entstehungsgeschichte der vorliegenden Ausgabe ist hoch faszinierend. Sie beginnt mit Conrad Sweynheym, von dem man annimmt, daß er als Mitarbeiter von Gutenberg bei den ersten Buchdrucken anwesend war.
Als Mainz 1462 überfallen wurde, floh Sweynheym 1462 nach Italien, zunächst in das Benediktinerkloster von Subiaco. Zusammen mit einem anderen deutschen Flüchtling, Arnold Pannartz, führte Sweynheym 1464-65 die erste Druckerpresse in Italien ein. Ab 1467 druckten beide in Rom mehr als 50 Werke.
Ab 1474 arbeiteten die Deutschen an der ersten gedruckten und illustrierten Ausgabe von Ptolemäus’ “Cosmographia”, einem Werk, dessen Wiederentdeckung eines der größten Sensationen der Renaissance war.
Es ist überliefert, daß Sweynheym seine Mitarbeiter persönlich in der noch jungen Technik des Kupferstichs unterwiesen hat. Als Vorlage für die Produktion der Karten diente das Manuskript eines deutschen Benediktiners aus der Zeit um 1460.
In Bologna hatte inzwischen Taddeo Crivelli damit begonnen ebenfalls an einer illustrierten Ptolemäus-Ausgabe zu arbeiten. Crivelli setzte alles daran, das Rennen um die erste Auflage zu gewinnen und soll dabei auch einen engen Mitarbeiter Sweynheyms abgeworben haben. Sweynheym hingegen arbeitete weiter mit großer Sorgfalt und wurde durch den Pest-Tod seiner Partners Pannartz im Jahre 1476 zurückgeworfen.
Somit triumphierte Crivelli und veröffentlichte die erste illustrierte Ausgabe der Cosmographia und damit zugleich die erste Serie von Kupferstichkarten.
Sweynheym starb 1477, und das Projekt wurde vom aus Köln stammenden Drucker Arnold Buckinck übernommen, der das Werk schließlich am 10. Oktober 1478 veröffentlichte.
Rodney Shirley merkt zur 1478er Ausgabe an, es sei zwar nicht die Erstausgabe, die römischen Kupfertafeln seien jedoch viel präziser und von höherer handwerklicher Qualität als die der 1477er Bologneser Ausgabe. Viele hielten die Stiche der römischen Ausgabe für die schönsten ptolemäischen Abbildungen vor Mercators Weltatlas von 1578.
Raleigh A. Skelton schrieb: “Die bessere Handwerkskunst der gestochenen Karten der Rom-Ausgabe, im Vergleich zu denen der Bologna-Ausgabe ist auffallend und verblüffend. Die Klarheit und Präzision mit der die geographischen Details gezeichnet sind, die geschickte Anordnung der Kartenelemente nach ihrer Wichtigkeit sowie die kunstfertige Benutzung des Stichels beim Bearbeiten der Platten – alle diese Merkmale scheinen auf die Hand eines erfahrenen Meisters hinzuweisen, vielleicht aus Norditalien.“ (Einige Experten vermuten einen leitenden Stecher aus Venedig oder Ferrara.)
Ein weiteres besonderes Merkmal der Karten sind die feinen lateinischen Buchstaben, die für die geographischen Bezeichnungen verwendet wurden. In einem vermutlich einzigartigen Experiment wurden diese Buchstaben nicht mit einem Stichel in die Druckplatte geschnitten sondern mit einer Art Metallstempel gestanzt.
Bemerkenswert ist auch, daß die Karten jeweils auf zwei Blätter gedruckt und später in der Mitte zusammengefügt wurden.
Die qualitätvollen Kupferstiche stellen nicht nur ein kartographisches Meisterwerk dar sondern auch einen Meilenstein ihrer Herstellungstechnik, gehören sie doch zu den frühesten erfolgreichen Tiefdrucken.
Mit der Veröffentlichung der Rom-Ausgabe des Ptolemäus, mußte der frustrierte Konkurrent Crivelli mit ansehen, wie potentielle Kunden seine Ausgabe zugunsten der neuen besseren Ausgabe verschmähten.
Die Künstler, die Sweynheyms Vision verwirklichten, haben somit die wohl wichtigsten und künstlerisch virtuosesten Landkarten des 15. Jahrhunderts hergestellt.
Die hier präsentierten Karten gehören zu den wohl beeindruckendsten und historisch wertvollsten kartographischen Abbildungen der Welt.
Lit.: Shirley, The Mapping of the World, S. 4; Skelton, Claudius Ptolomaeus Cosmographia Rome 1478 (Amsterdam, 1966), S. XIII